Die Historie des TSV Havelse

Am 5. August 1912 wurde in Havelse der FC „Pelikan“ Havelse von einigen jungen Männern gegründet. Die Namensgebung hatte der Verein dem ersten, von den jungen Männern erworbenen Ball, zu verdanken, der den Markennamen Pelikan trug und den sie in Hannover für damals 7,50 Mark erworben hatten. Dieser Verein hatte bis 1923 Bestand, bis es aufgrund der großen Not während der Hyperinflation zu einer Auflösung kam. Zehn Jahre später wurde der Verein erneut zum Leben erweckt, nannte sich von nun an aber TV Havelse (und kurze Zeit später TSV) und war in der Folge festes Mitglied des hannoverschen Fußballkreises. 1947 wurde der Verein in TSV Havelse-Marienwerder umbenannt, um weiter mit den stärkeren Fußballmannschaften aus Hannover spielen zu können, was nach fünf Jahren allerdings wieder rückgängig gemacht wurde. Über die Ortsgrenzen hinaus trat der TSV erstmals im Jahre 1955 in Erscheinung, als man sich für die Aufstiegsrunde zur erstklassigen Oberliga qualifizierte, in jener aber scheiterte. Ein Jahr später trat allerdings schnell Ernüchterung ein, als man aufgrund eines Lizenzverstoßes aus der niedersächsischen Amateurliga absteigen musste.

 

Der Aufstieg zur regionalen Größe

Nachdem man von nun an über 20 Jahre in den unteren Spielklassen im Kreis Hannover verbrachte, gelang 1975 dem Spartenvorsitzenden und heutigem Stadionnamensgeber ein Coup, der alles verändern sollte. Wilhelm Langrehr gelang es, den ehemaligen Profi und Nationalspieler Hans Siemensmeyer als Trainer an der hannoverschen Straße zu installieren, was positive Folgen haben sollte. Innerhalb weniger Jahre schaffte man den Sprung aus der Bezirksliga bis hin zur drittklassigen Oberliga Nord. Die Euphorie in Havelse war riesig, so strömten zum ersten Oberligaspiel gegen Arminia Hannover über 4.000 Zuschauer ins Havelser Stadion. Jenes Stadion wurde in den darauffolgenden Jahren zur Festung für den TSV und war überregional gefürchtet, sodass es den Namen „TSV-Kampfbahn an Hannoverschen Straße“ erhielt. 1984 qualifizierte man sich zusätzlich auch das erste Mal für den DFB-Pokal und rang dem damaligen Erstligisten VfL Bochum im ein 2:2-Unentschieden ab. Da damals noch keine Elfmeterschießen im DFB-Pokal stattfanden, unterlag der TSV im Wiederholungsspiel im Ruhrpott deutlich mit 0:4. Daraufhin wurde auch im DFB-Pokal endlich das Elfmeterschießen eingeführt.

 

Fast-Abstieg, Volker Finke und die 2. Bundesliga

In der Spielzeit 1986/87 spielte man eine schwache Saison und sah dem Abstieg aus der Oberliga entgegen. Rechtzeitig wurde mit dem ehemaligen TSV-Spieler Volker Finke ein Trainer installiert, der den TSV aus der Abstiegszone führte. In den Saisons 88/89 und 89/90 führte jener Volker Finke den TSV sogar in die Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga. Während man beim ersten Versuch scheiterte, konnte 1990 im entscheidenden letzten Spiel gegen den Wuppertaler SV mit 3:2 die Runde erfolgreich abgeschlossen werden und der TSV war in der 2. Bundesliga angekommen - eine Sensation.

In der kommenden Zweitliga-Saison hatte man es nun mit Großclubs wie dem FC Schalke 04 oder dem MSV Duisburg zu tun. Die Highlights der Saison waren aber sicherlich die beiden Derbys gegen Hannover 96, die beide vor großer Kulisse im damaligen Niedersachsenstadion ausgetragen wurden.

Die Euphorie währte allerdings nicht lange: So verließ Volker Finke den Verein nach einem mäßigen Saisonstart und Differenzen mit dem Vorstand bereits im Oktober und wurde durch Karl-Heinz Mrosko ersetzt. Aber auch Mrosko konnte den Negativtrend  nicht mehr umkehren, sodass man zur Saison 91/92 wieder in der Oberliga antreten musste. 

Volker Finke allerdings blieb zur neuen Saison zweitklassig und heuerte beim SC Freiburg an. Seine guten Erinnerungen an den TSV resultierten darin, dass einige Leistungsträger wie der spätere Bundesligaspieler und heutige Manager des Karlsruher SC, Jens Todt, in den Breisgau abwanderten.

 

Der Tiefpunkt des Pokalschrecks

Trainer Karl-Heinz Mrosko wurde durch Jürgen Stoffregen abgelöst. Da man in der vorherigen Saison in der zweiten Liga gestartet war, war man in der Saison 91/92 erneut für den DFB-Pokal qualifiziert und schaffte eine Überraschung. In der ersten Runde besiegte man den damaligen Bundesligisten 1. FC Nürnberg im Elfmeterschießen und erreichte so die 2. Runde. Ernüchterung kehrte allerdings schnell ein, als man hier gegen den SC Bamberg klar verlor. In der Oberliga präsentierte man sich ebenfalls stark, indem man erneut die Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga erreichte. Allerdings scheiterte man dort an Fortuna Köln und dem TSV 1860 München. Die erste DFB-Pokal Runde der neuen Saison sollte daraufhin das letzte Highlight für einige Jahre beim TSV bleiben. Gegen den Karlsruher SC verlor man zwar klar, Spieler wie der spätere Welttorhüter Oliver Kahn begeisterten die Zuschauer des Wilhelm-Langrehr Stadions aber trotzdem.

In den folgenden Jahren stagnierte die Entwicklung des Vereins mit dem Resultat, dass nach dem Abstieg in die fünftklassige Niedersachsenliga 2001 Trainer Ronald Worm und alle Spieler den Verein verließen. Der Neuanfang unter Bernd Krajewski misslung ebenfalls, sodass man sich in der Saison 2002/2001 in der sechsklassigen Landesliga wiederfand. Der Tiefpunkt in der jüngeren Vereinsgeschichte.

Zwei Jahre später wurde Trainer Jürgen Stoffregen erneut eingestellt und schaffte 2005 im ersten Jahr direkt den Aufstieg in die Niedersachsenliga, in der der TSV von nun an fünf Jahre verbringen sollte.

 

Der Aufstieg und André Breitenreiter

Nach mehreren Saison, in denen man den Aufstieg nur knapp verpasste und einer zwischenzeitlichen weiteren DFB-Pokalteilnehme, bei der man in der ersten Runde gegen den Zweitligisten TuS Koblenz ausschied, stieg man in der Saison 2009/2010 überraschend in die Regionalliga auf. In einem Herzschlagfinale zum Saisonende konnte der TSV den VfB Oldenburg hinter sich lassen. Die Aufstiegsrelegation gegen den Staffelmeister der Niedersachsenliga Ost wurde zwar verloren, dies hatte aber auf den Aufstieg aufgrund anderer sportlicher Entwicklungen keinerlei Relevanz mehr für den Aufstieg. Die erste Saison in der neuen Liga sollte allerdings durchwachsen verlaufen. Nach über sechs Jahren und einer schwachen Hirnunde trennte man sich zur Winterpause von Aufstiegs-Trainer Jürgen Stoffregen. Sein Nachfolger war niemand Geringeres als der ehemalige Bundesligaspieler und Ex-Havelser André Breitenreiter, der in der Vorsaison noch selbst die Schuhe für den TSV geschnürt und daraufhin seine aktive Karriere beendet hatte. Mit ihm wurde die Wende eingeleitet. Der Klassenerhalt wurde doch noch gesichert und man konnte aufgrund einer Reform der Regionalliga sogar bis einschließlich der Saison 2012/2013 viertklassig planen.

 

Rot-weiße Fußballfeste und der verpasste Aufstieg

Die neue Saison beendete man auf Platz 5, ein angesichts der begrenzten Mittel des TSV sehr gutes Ergebnis. Am Rande der Liga sorgte man allerdings für Furore. Mit einer fulminanten Pokalsaison und einem Sieg über den SV Wilhelmshaven im Finale sicherte man sich zum ersten Mal den Niedersachsenpokal. Die Freude war riesig, zusätzlich qualifizierte man sich hierdurch für den DFB-Pokal. Erneut ging es in diesem Wettbewerb gegen den fränkischen Erstligisten 1. FC Nürnberg. TSV-Urgestein Rolf Svete prophezeite in Erinnerung an den Erfolg 1992: „Die schlagen wir wieder!“ Und das trat ein: Im heimischen Wilhelm-Langrehr-Stadion schaffte man wie schon 1992 die Sensation. Mit einem 3:2 nach Verlängerung zog der TSV hochverdient in die 2. Runde ein. Vor 3.500 begeisterten Fans beförderten Christoph Beismann (13. Minute), Patrick Posipal (59.) und Marc Vucinovic (97.) den TSV in den siebten Fußballhimmel. Ein Fußballfest, dass man in Havelse so schnell nicht mehr vergessen sollte und das von Mannschaft und Fans später auf dem Maschseefest gebührend gefeiert wurde. In der nächten Runde unterlag der TSV bedauerlicherweise trotz einer frühen 1:0-Führung dem VfL Bochum mit 1:3.

In der Liga spielte man außerdem die bisher wohl stärkste Regionalligasaison der Vereinsgeschichte. Bis zum Vorletzten Spieltag war man Spitzenreiter und durfte vom Aufsteig träumen. Erst zwei Spieltage vor Schluss übernahm Holstein Kiel durch einen Sieg im direkten Duell die Tabellenspitze und schaffte den Aufstieg. Schade für den TSV, der Stolz über eine überragende Spielzeit blieb aber trotzdem in den Köpfen der Anhänger.

 

Die Etablierung im oberen Tabellendrittel

Diese Leistung weckte natürlich Begehrlichkeiten bei „größeren“ Vereinen. So verließ Erfolgscoach André Breitenreiter den Verein in Richtung 2. Bundesliga und trainierte den SC Paderborn.

Seinen Posten übernahm Christian Benbennek, der die erfolgreiche Arbeit seines Vorgängers nahtlos forführte. Mit einem 7. (2013/2014) und einem 4. Platz (2014/2015), verabschiedete sich allerdings auch Benbennek zwei Jahre später in in die Regionalliga West zu Alemannia Aachen. Stefan Gehrke, der überraschend den Aufstieg der Havelser A-Junioren in die U19 Bundesliga schaffte, wurde zum Chefcoach ernannt, kehrte aber nach wenigen Monaten wieder zurück zur U19. Ab September 2015 leitete nun der aus Hannover stammende Lehrer Alexander Kiene die Geschicke beim TSV und knüpfte an die erfolgreichen Zeiten seiner Vorgänger an. In seiner Debutsaison belegte er mit seiner Mannschaft einen guten 6. Platz. Im folgenden Jahr konnte er dieses gute Ergebnis bestätigen. Auf eine weitere Zusammenarbeit konnte sich der TSV mit Kiene, der eine Anstellung im Profi-Bereich anstrebte, nicht verständigen. Als Nachfolger wurde daher ein alter Bekannter präsentiert: Ab 2017 leitete wieder Christian Benbennek die Geschicke der Havelser Mannschaft und will an seine erfolgreiche Zeit von 2013 bis 2015 in Garbsen anknüpfen. Nachdem der TSV Havelse in der Saison 2018/19 nach einem guten Start im Verlauf der Hinrunde immer mehr in akute Abstiegsgefahr geriet, trennten sich der Verein und Christian Benbennek einvernehmlich. Zur Winterpause 2018/19 legte zudem Liga-Geschäftsführer Stefan Pralle, der seit Mai 2009 diese Position beim TSV bekleidete und unter dem der Aufstieg in die Regionalliga Nord gelang, sein Amt nieder. Pralle wird dem Verein allerdings als Mitglied des Wirtschaftsbeirats weiterhin mit Rat und Tat zur Seite stehen.

 

Jan Zimmermann übernimmt

Als Nachfolger von Benbennek wurde der ehemalige Havelser Kapitän Jan Zimmermann präsentiert, der zudem die Sportliche Leitung übernehmen wird. Zimmermann hatte in den Jahren zuvor den Barsinghäuser Nachbarn 1. FC Germania geleitet, wobei ihm zwei Aufstieg und der Einzug in den DFB-Pokal gelangen. An alter Wirkungsstätte gelang Jan Zimmermann die Mission Klassenerhalt. Die Saison 2019/20 lief gelungen, bis die Corona-Pandemie auch die Regionalliga Nord erreichte: Nach dem Abbruch wurde die Platzierung per Quotientenregelung festgestellt, der TSV landete mit 1,45 auf Rang 9. Große Freude: Den Niedersachsenpokal konnten die Havelser in dieser Saison zum zweiten Mal nach 2012 gewinnen! Im Finale gegen den BSV Rehden gewannen die Havelser mit 4:1, sodass sie in der 1. Runde des DFB-Pokals auf den 1. FSV Mainz 05 trafen. Das Heimrecht wurde aufgrund der Corona-Krise jedoch mit dem Bundesligisten getauscht. Vor pandemiebedingt 1.000 Zuschauern ging der TSV dank Noah Plumes Treffer in der 17. Minute in Führung und konnte diese bis zur 57. Minute verteidigen, als Jean-Philippe Mateta den Ausgleich für die Mainzer besorgte. Die Havelser hielten weiter dagegen, doch die Anstrengungen und Erschöpfung forderten in der Schlussphase ihren Tribut, als die Mainzer das Spiel endgültig drehen konnten und letztlich mit 5:1 gewannen. Die Regionalliga-Saison verlief für den TSV sehr erfolgreich, musste aber aufgrund der Pandemie Anfang November unterbrochen werden und wurde im Frühjahr 2021 endgültig abgebrochen. Der TSV stand nach neun absolvierten Spielen mit 20 Punkten (sechs Siege, zwei Unentschieden, eine Niederlage) an der Tabellenspitze der Süd-Gruppe, wobei man ein Spiel mehr als der Verfolger Werder Bremen U23 absolviert hatte. Das Torverhältnis betrug 22:6. Nach dem Abbruch entschied der Norddeutsche Fußballverband, den TSV als Vertreter der Regionalliga Nord für die Aufstiegsrelegation zur 3. Liga zu benennen. Der TSV, der die Zulassung zur 3. Liga zuvor erhalten hatte, trifft nun in Hin- und Rückspiel auf den Vertreter der Regionalliga Bayern, den 1. FC Schweinfurt. Der 1. FC Schweinfurt hatte sich in einer Aufstiegsrunde gegen Viktoria Aschaffenburg und die SpVgg Bayreuth durchgesetzt.

 

Der Weg des TSV zurück in die 3. Liga

In den Aufstiegsspielen waren die Schweinfurter als unter Vollprofi-Bedingungen arbeitender Klub im Vorfeld favorisiert, doch dem TSV gelang es in Schweinfurt, dank einer großartigen Leistung zu überraschen. Nach einigen guten Chancen dauerte es jedoch bis in die 4. Minute der Nachspielzeit, als Kapitän Tobias Fölster einen Freistoß aus zentraler Position mit Urgewalt in Richtung Tor drosch und der Schweinfurter Keeper diesen unglücklich ins eigene Tor ablenkte - der TSV hatte gewonnen! Im Rückspiel empfing der TSV den 1. FC Schweinfurt im heimischen Wilhelm-Langrehr-Stadion vor 1.100 Zuschauern. In einem packenden Duell übernahmen die Schweinfurter zunächst die Initative und kamen zu hochkarätigen Chancen, doch konnten den Ball nicht im Tor unterbringen. Mitten in dieser Drangphase drosch Kevin Schumacher den Ball mit seinem schwachen Fuß aus einer schwierigen Position in die Maschen und der TSV führte mit 1:0! Diesen Spielstand konnte der TSV bis zum Schluss verteidigen. Dann war der Jubel im Wilhelm-Langrehr-Stadion grenzenlos: Spieler, Betreuer und Fans feierten den größten Erfolg seit dem Aufstieg in die 2. Bundesliga, nämlich die Rückkehr des TSV Havelse in den Profifußball. Trainer Jan Zimmermann und Co-Trainer Jens Jansen werden jedoch den TSV in der 3. Liga nicht mehr betreuen, sie zieht es in die 2. Bundesliga zum großen Nachbarn Hannover 96.

 

 

 

 

Die Gründermannschaft des FC „Pelikan“ Havelse

Aufstieg in die Landesliga 1979: Wilhelm Langrehr (ganz links) und Hans Siemensmeyer (Mitte, liegend) führten den TSV von der Bezirksliga (damals 6. Liga) bis in die Oberliga Nord (damals 3. Liga)

Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga: Vorsitzender Dieter Haaßengier nimmt ein Bad im Entmüdungsbecken nach dem 3:2-Sieg gegen den Wuppertaler SV

Unter Trainer Volker Finke (links) gelang dem TSV 1990 der Aufstieg in die 2. Bundesliga, die „Klein Schalke“ als Tabellenvorletzter abschloss

Das Oberliga-Team in der Spielzeit 2005/2006 unter Jürgen Stoffregen

Aufstiegsfeier 2005 © Lars Christian Burgdorff

Aufstiegsfeier 2005 © Lars Christian Burgdorff

Die Aufstiegsmannschaft 2009/2010

Erstes Regionalligaheimspiel im Wilhelm-Langrehr-Stadion gegen den VFC Plauen

Sieg im NFV-Pokal über TuS Heeslingen und Einzug in den DFB-Pokal

Kurz vor Schluss der Verlängerung gegen den 1. FC Nürnberg © Lars Christian Burgdorff

Grenzenloser Jubel: Der TSV siegt mit 3:2 nach Verlängerung gegen den Bundesligisten 1. FC Nürnberg im DFB-Pokal 2012/2013

Es werde Licht: Flutlicht-Trucks aus England erhellen das Wilhelm-Langrehr-Stadion anlässlich des DFB-Pokal-Spiels gegen den VfL Bochum (1:3)

Fast 50 Jahre ehrenamtliches Engagement: Rolf Svete wird 2013 aus dem aktiven Ehrenamt verabschiedet

Kevin Schumacher jubelt nach seinem Treffer vor heimischen Publikum © Ashley Greb

Die Havelser Jungs feiern ihren Erfolg © Ashley Greb